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Schwarzer Feminismus von Natasha A. Kelly

"Feminismus muss intersektional sein". Hundert Mal haben wir es gehört, fast genauso oft selbst deklariert. Aber wer intersektional denken will, muss auch etwas dafür tun, muss es zuerst lernen - und viele unserer Denkmuster aktiv verlernen. Was die Verknüpfung von Feminismus und Antirassismus angeht, haben wir genau das im Monat November getan: unseren Horizont erweitert, uns mit den Gedanken und Worten sehr kluger Frauen aus der Geschichte des Schwarzen Feminismus auseinandergesetzt und dabei ein Buch gefunden, das wir sicher noch oft in die Hand nehmen, bzw. es zum Verleihen genauso oft aus der Hand geben werden.


Worum geht's?


Natasha A. Kelly hat den Sammelband mit dem treffenden Titel "Schwarzer Feminismus. Grundlagentexte" 2019 herausgegeben und damit einen Pool an Wissen, Ideen und Theorien für deutschsprachige Leser*innen zugänglich gemacht. Anbei ein knapp ausgeführter Blick ins Inhaltsverzeichnis.


  1. Das kurze Vorwort - das zugleich ein Essay über Gender, Race und Sprache bzw. Übersetzung von Sprache ist, hat Natasha A. Kelly selbst übernommen.

  2. Als erster Quellentext wurde Sojourner Truth's Rede "Bin ich etwa keine Frau?" von 1851 ausgewählt, in dem die Frauenrechtlerin und Abolitistin in einfachen Worten und anhand ihrer eigenen Erfahrungen das Zusammenwirken von Race und Gender erklärt, für das über 130 Jahre später der Begriff "Intersektionalität" eingeführt wurde. Einen kleinen Ausschnitt aus der Rede findest du in unserem Instagram-Posting zu Sojourner Truth. Du kannst die recht kurze Mitschrift ihrer Worte aber auch online nachlesen.

  3. Angela Davis schrieb 1971 über die Rolle Schwarzer Frauen in der versklavten Community, die eine besondere Rolle einnahmen - teils den Schwarzen Männern gleichgestellt, teils durch ihre Rolle als Frauen in einer ganz anderen Position. Einige ihrer Grundideen haben wir ebenfalls in einem Instagram-Posting zusammengetragen. Sie dienen selbstverständlich nur als Anstoß, um sich intensiver mit dem Text bzw. mit weiteren Schriften von Angela Davis auseinanderzusetzen.

  4. In "Ein Schwarzes feministisches Statement" aus dem Jahr 1977 stellt sich das US-amerikanische Combahee River Collective quasi selbst vor und formuliert dabei Ansprüche an einen intersektionalen Feminismus, die aktueller kaum sein könnten.

  5. Im darauf folgenden Kapitel geht bell hooks 1982 auf die Versäumnisse des weißen Feminismus ein und zeichnet nach, warum es für Schwarze Frauen schwierig war sich mit ihrem Aktivismus weißen Feminist*innen anzuschließen - zugleich aber auch warum Schwarzer Feminismus auch in der Schwarzen Bürgerrechtsbewegung nicht in all seinen Facetten aufgehen konnte.

  6. Audre Lorde ist mit einem ihrer wohl bekanntesten Texte vertreten, dessen Titel bereits für sich spricht: "Alter, Race, Klasse und Gender: Frauen* definieren ihre Unterschiede neu (1984)".

  7. Barbara Smith hielt 1985 "Bittere Wahrheiten über die gegenwärtige Schwarze feministische Bewegung" fest. Sie geht dabei u.a. auf Mythen ein, die den feministisch und zugleich antirassstisch bemühten Aktivismus Schwarzer Frauen hemmten

  8. Patricia Hill Collins schreibt zum Abschluss über die Kraft der Selbstbestimmung. Ein Beitrag, in dem sie auf verschiedene Räume eingeht, in denen Schwarze Frauen ihre Stimmen finden konnten - darunter Beziehungen zwischen Schwarzen Frauen generell, den Blues und das Schreiben.


Kimberlé Crenshaw und die Sache mit der Intersektionalität


In unserem soeben kurz ausgeführten Inhaltsverzeichnis haben wir einen Beitrag noch nicht erwähnt, da wir gerne ein wenig genauer auf ihn eingehen wollen. Ein für diesen Sammelband unverzichtbarer Text, über den du bei Recherchen zu intersektionalem Feminismus vielleicht schonmal gestolpert bist, stammt von Kimberlé Crenshaw. Sie hat den Begriff Intersektionalität geprägt, indem sie ihn als Sinnbild einer Kreuzung, an der zwei Straßen bzw. zwei Diskriminierungsformen aufeinandertreffen, eingeführt hat. Es geht dabei nicht "nur" um Mehrfachdiskriminierung, sondern um die Verzahnung mehrerer Kategorien, sodass sie nicht voneinander getrennt werden können.


Dieser Theorie liegt die Analyse mehrerer Rechtsfälle zugrunde, in denen Schwarze Frauen Nachteile erlebten. Der bekannteste Fall dürfte wohl „DeGraffenreid vs. General Motors (1976)“ sein, bei dem fünf Schwarze Frauen klagten, da bei ihrem Arbeitgeber lange keine Schwarzen Frauen eingestellt wurden und diejenigen, die es letztendlich schafften, im Rahmen betrieblicher Kündigungen ihren Job als erste wieder verloren. Die Klägerinnen verloren den Fall, da bei General Motors weiße Frauen arbeiteten (es konnte also kein Sexismus in der Personalpolitik nachgewiesen werden) und auch Schwarze Männer angestellt waren (es konnte also auch kein Rassismus nachgewiesen werden). Die besondere Position Schwarzer Frauen konnte bei dieser Antidiskriminierungsklage nicht geltend gemacht werden.


Wer sollte dieses Buch lesen?


Kurzum: alle. Der Sammelband ist ein wunderbares Einstiegswerk für Schwarze Menschen, die sich mit Feminismus auseinandersetzen möchten. Gleichzeitig ist es für weiße Feminist*innen wie uns eine unverzichtbare Standardlektüre, um ihre Anliegen intersektional zu gestalten, ihre Perspektive zu erweitern und sich der eigenen Privilegien und den Aufgaben im Umgang mit eben diesen bewusst zu werden.


Wer sich darüber hinaus schreibend mit Feminismus und / oder Antirassismus auseinandersetzt (sei es in einem Blog oder wissenschaftlich), kann das Buch immer wieder aus dem Regal ziehen um Ideen und Theorien nachzulesen, zu belegen, begründen und zu zitieren.


Außerdem sind die Beiträge, die alle nur einen kleinen Einblick in die Texte dieser großartigen Aktivist*innen und Autor*innen gewähren, eine wahre Quelle der Inspiration. Sie bieten einen Anstoß um weitere Texte dieser Schwarzen Feministinnen zu lesen und sich mit ihren Anliegen und Gedanken auseinanderzusetzen.

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