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  • AutorenbildTanja

Missy Magazine - Feminismus im Abo

Bei feministischem Lesen denken wir meist an Bücher. Doch wie wär's mal mit einer Zeitschrift?


Meine frühen Teenager-Jahre lagen in einer Zeit vor Instagram, ja, gar vor Facebook - man kann es sich heute kaum noch vorstellen. Doch ohne Smartphone, sondern mit einem alten Klapphandy, bei dem unvermittelt Panik hochkochte, wenn der teure Internet-Button versehentlich berührt wurde, blieb eben auch mehr Zeit für Aktivitäten fernab des kleinen Bildschirms. Das Taschengeld wurde häufig ins Zeitschriftenlädchen an der Ecke getragen, wo es die "Mädchen" oder "InStyle" gab, später wurde sogar in ein Cosmopolitan-Abo investiert. Und für erwachsene Frauen hatte das Regal auch jede Menge zu bieten: Zeitschriften mit allen denkbaren Frauennamen verraten die besten Abnehmtipps und Rezepte - was für eine Ironie! - Promiklatsch und Sexpraktiken, die den Partner glücklich machen. Denn, mal ehrlich: Genau das sind doch die einzigen Themen, die Frauen interessieren. Nicht wahr?




Höchste Zeit euch ein Magazin vorzustellen, das ganz dringend die Auflagenzahlen all dieser klischeehaften "Frauenzeitschriften" in den Schatten stellen sollte: Das Missy Magazine.


Foto: Cover der Ausgaben #05/20 (September) und #06/20 (gerade erschienen)





Was ist das Missy Magazine?


Laut Herausgeber*innen ist Missy das Magazin für Pop, Politik und Feminismus¹ und richtet sich an "eine neue Generation, die sich nicht mit bestehenden Geschlechterklischees identifizieren kann: Diese 18 bis 45-Jährigen sind emanzipiert und können gerade deshalb spielerisch mit Rollenzuschreibungen umgehen."² Mal abgesehen davon, dass du die Missy sicherlich auch mit 16 oder mit 50+ lesen kannst, gefällt uns diese Zielgruppenbeschreibung ganz gut, denn sie besteht eben nicht nur aus Frauen. Missy ist in ihrer Ausrichtung und ihrem Inhalt inklusiv, divers und spiegelt Intersektionalität mit Blick auf Hautfarbe/Herkunft/Kultur, Körperbilder, soziale Klasse, Queerness und (Dis-)Ableismus. Also all das, wofür moderner Feminismus unserer Meinung nach stehen sollte.


Und um vom Tiefgründigen mal zurück zur Oberfläche zu kommen: Missy sieht auch einfach gut aus. Zeitgemäß gelayoutet, jedes Cover ein Hingucker und sie kommt vor allem ohne Plastikverpackung in den Briefkasten. Die Themen erstrecken sich über Film/Serien, Musik, Literatur und Events, über Politisches und Gesellschaftliches, rücken Körper und Psyche ins Scheinwerferlicht der Beiträge und stellen interessante Menschen abseits des Mainstreams vor.


Das Magazin wurde 2008 mit dem Preisgeld des kurz zuvor gewonnenen Ideenwettbewerbs Hobnox Evolution Contest gegründet. Seit 2017 erscheint es sechsmal pro Jahr mit einer Auflage von 30.000 Exemplaren. Hauptsitz der Redaktion ist im Berliner Bergmannkiez.


Wo bekomme ich das Missy Magazine?


Missy ist mittlerweile bei zahlreichen Zeitschriftenhändler*innen vertreten. Doch unter uns: Am Besten kaufst du das Magazin direkt über den Missy Shop, denn so kommt dein Geld auch direkt an und geht nicht auf Umwegen teilweise an Zwischenhändler*innen verloren. Über die Website kannst du dir einzelne Magazine bestellen oder für 30€/Jahr gleich ein Print-Abo abschließen - oder verschenken. Es gibt auch günstigere Abomodelle, bspw. um Missy digital zu lesen.


Klingt nach aggressiver Werbung unsererseits, doch die hat auch einen Grund: Zeitschriften - und gerade die, die nicht in einem der großen Verlage wie Bauer oder Axel Springer erscheinen - leben finanziell von der Anzeigenschaltung. Doch nach eigenen Aussagen klappt das bei Missy durch die klare Positionierung noch nicht so gut: "[L]eider gibt es nicht viele Firmen, die heute schon fortschrittlich genug sind, um auf ein queer-feministisches Heft zu setzen. [...] Mit [Abos] können wir rechnen und mit dem Geld die Druckerei, den Vertrieb, unsere Mitarbeiter*innen usw. bezahlen. Reich werden wir damit nicht, aber wir bleiben unabhängig!", so das Redaktionsteam.³ Das bedeutet für uns Leser*innen zweierlei: Einerseits dürfte uns attraktivere Werbung erwarten, denn Unternehmen, die hier investieren, vertreten vermutlich eher die eigenen Werte und Interessen als die sexistische / stereotype Werbung in einer Brigitte oder Co. Es heißt aber auch, dass wir mithelfen müssen, um ein solches Magazin am Leben zu halten oder Wachstum zu ermöglichen.


Wen unterstütze ich durch den Kauf des Missy Magazines?


Von außen einen Blick in Strukturen eines Unternehmens zu werfen ist gar nicht so leicht. Trotzdem bemühen wir uns jeden Tag darum, kaufen bspw. keine Nestlé-Produkte, achten auf Bio- oder Fairtrade-Labels, kaufen regional, etc. Doch wie macht man das bei einem Magazin? Größtenteils können wir nur auf die Selbstdarstellung achten und uns inhaltlich stets kritisch mit dem Magazin selbst und bspw. dem Social Media Auftritt auseinanderzusetzen.


Die "Über uns"-Seite auf der Missy-Website weist ausdrücklich darauf hin, dass Feminismus mehr ist als nur der Kampf um Gleichberechtigung von Mann und Frau. Der hier betonte Blick für Intersektionalität spiegelt sich im Magazin in nahezu jedem Beitrag und wirkt auf uns authentisch. Zudem sind auf dieser Seite alle Mitarbeiter*innen (die Diversität übrigens nicht nur schätzen, sondern offensichtlich auch leben) aufgelistet und zwar nicht, wie sonst üblich, in hierarchischer Reihenfolge beginnend mit der*dem Ranghöchsten, sondern schlicht alphabetisch geordnet. Außerdem sucht man vergeblich nach weißen cis-Männern, was immer einen kleinen Bonus wert ist.


Bevor wir jetzt allerdings zu laut "Nieder mit dem Klassismus" jubeln, wollen wir dir zwei Punkte nicht verschweigen, die durchaus kritisiert werden können:


1. Zum einen sind manche Beiträge tief in theoretischen Konzepten verwurzelt, die einen fortgeschrittenen Bildungsabschluss oder zumindest den Zugang zu erklärender Sekundärliteratur voraussetzen, so bspw. ein Beitrag aus dem "Horror"-Dossier im Magazin #5/20, der Zombiefilme mit Posthumanismus und Utopien verstrickt. Auch das Gendervokabular - das auch wir oft mit vielleicht zu hohen Voraussetzungen an das Vorwissen von Leser*innen nutzen - kommt selbstverständlich reichlich vor. An dieser Stelle wurde jedoch Abhilfe geschaffen: Auf der Website findest du unter dem aussagekräftigen Reiter "Hä? Was heißt denn..." jede Menge Infos zu Begriffen wie "Race", "postmodern", "TERF", "Toxic Masculinity", etc.


Wenn dir beim Lesen unserer Blogposts oder Social Media Beiträge Fragezeichen erscheinen, kannst du uns jederzeit kontaktieren und nachfragen. Beim Erlangen von Wissen sollte es keine Scham geben, jede Frage bringt dich weiter.


2. Vor Kurzem gab es via Social Media leider einen Shitstorm für Missy, den wir sehr gut nachvollziehen können: Für ein ausgeschriebenes Praktikum wurden vor allem marginalisierte Menschen zur Bewerbung motiviert. So weit so gut. Doch als Aufwandsentschädigung wurden gerade einmal 250€ geboten - und das in einer so teuren Stadt wie Berlin. Für ein Magazin, dessen Philosophie alle Arten der Ausbeutung und Diskriminierung scharf kritisiert, ist dies nicht gerade vorbildlich. An dieser Stelle schließt sich der Kreis mit den oben angesprochenen finanziellen Aspekten. Laut Missy sei es schlicht nicht möglich mehr zu zahlen, da nicht nur Praktikant*innen, sondern auch alle Autor*innen, Fotograf*innen, Illustrator*innen, etc. mit ihrer "Selbstausbeutung"⁷ für den Erhalt des Magazins einstünden. Dies sei sicherlich nicht begrüßenswert, aber leider die Realität.


Wir haben uns dazu entschieden, Missy für diese Diskrepanz zwischen eigenem Wunsch / Ziel für diese Welt und der aktuellen Realität nicht durch unsere Abkehr zu strafen. Stattdessen wollen wir mit Abos für uns selbst oder Freund*innen und nicht zuletzt mit diesem Blogpost und mehr Aufmerksamkeit bei potentiellen Leser*innen dafür sorgen, dass sich dieses wunderbare Magazin halten und hoffentlich bald die eigenen Ansprüche an soziale Gerechtigkeit nicht nur auf Papier großschreiben kann.


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