Tanja
Klasse & Kampf von Maria Barankow und Christian Baron
Prominente Namen stehen auf dem Cover von "Klasse & Kampf", das vom Ullstein Verlag als "erzählendes Sachbuch" kategorisiert wird. Insgesamt 14 Autor*innen schreiben auf ihre ganz eigene Weise darüber, was Klassismus für sie bedeutet.
Heute schreibe aber ich - und zwar diesen Blogpost. Ich persönlich habe nicht viel über Klassismus beizutragen. Da ich ihn selbst nie erlebt habe (also in der Position der diskriminierten Person) war ich sehr lange blind für dieses Thema. Seit ich Teil des Buchclubs bin, ist mir diese Form der Stigmatisierung und Diskriminierung nun zwar schon öfter begegnet und ich konnte mir darunter durchaus etwas vorstellen, intensiv damit beschäftigt hatte ich mich aber noch nicht. Klasse & Kampf war im Sinne des gemeinsamen Lesens im Buchclub und für einige unserer Mitglieder generell das erste Buch zum Thema Klassismus - aber nicht das letzte.

Wir haben uns für dieses Buch entschieden, da wir aufgrund der vorherigen Buchauswahl etwas müde waren von theoretisch-wissenschaftlichen Annäherungen an ein Thema und lieber über alltägliche Geschehnisse auf das Thema zugehen wollten. Dass es sich hierbei um einen Sammelband handelt, hat das Lesen zusätzlich vereinfacht. Denn auch wenn einer*einem mal ein Kapitel nicht so zusagt, findet man genügend Anknüpfungspunkte für einen Einstieg und ein Weiterdenken.
Worum geht's?
Nun stehe ich wieder vor der Herausforderung ein Buch vorzustellen, das so viele verschiedene Geschichten vereint, auf die ich an dieser Stelle natürlich nicht einzeln eingehen kann. Was wohl klar ist: Sie alle bewegen sich (mehr oder weniger) um Klassismus. Nur bei 1-2 Erzählungen war uns nicht ganz klar inwiefern sie in diesen Themenkomplex passen. Vielleicht werde ich auf diese Kapitel noch einmal zurückkommen, wenn ich mehr zu Klassismus gelesen und gelernt habe. Worum es in diesem Buch allerdings weniger geht - und da könnte der Titel etwas irreführend sein - ist der Kampf. Sicherlich sind Betroffene immer wieder (oder durchgehend?) dem Klassenkampf ausgesetzt und vermutlich ist auch die Aufklärung über Klassismus selbst bereits Teil des Kampfes gegen ihn. Es stehen aber durchaus keine Handlungsansätze, linken Kämpfe oder Demonstrationsaufrufe im Fokus dieses Bandes. Das ist den Herausgeber*innen auch bewusst. Im Vorwort schreiben Maria Barankow und Christian Baron:
Der von uns gewählte Titel Klasse und Kampf verspricht auf den ersten Blick eine Programmschrift, ein Manifest, eine Anklage. All das ist diese Anthologie nicht, und all das ist sie irgendwie doch. Die Beiträge finden für unsere widersprüchlichen Leben im Kapitalismus literarische Mittel. Sie setzen sich mit den Klassenstrukturen auseinander, verorten sich in ihnen, wollen sie überwinden - doch sie machen sich nicht zum Sprachrohr einer Gruppe, einer politischen Partei oder Strömung. Wir wollen durch persönliche Perspektiven die Missstände greifbar machen und damit eine Einladung zur Empathie aussprechen. Wir möchten aber auch Probleme benennen. Deutliche Worte und Beispiele finden. All das tun die Texte in diesem Band. (S. 10f.)
So erzählt Sharon Dodua Otoo beispielsweise davon wie sie gelernt hat, dass Klassismus kein persönliches Problem ist, sondern ein systematisches. Wie fluide Klasse sein kann (und dass es dabei deutlich schwerer ist aufzusteigen, als abzusteigen) thematisieren gleich mehrere Autori*innen. Francis Seeck hinterfragt Kategorien wie "Arbeiter*innenkind" versus "Akademiker*innenkind". Und fast alle geben Einblicke in ihre Biografie, in ihre Kindheits- oder Jugenderinnerungen.
Bei einem Kapitel müssen wir leider auch negative Kritik anbringen. Zwar hat uns Bov Bjergs "Schinkennudeln" inhaltlich und sprachlich sehr gecatcht, allerdings fanden wir es extrem störend, dass dafür diskriminierende Sprache reproduziert wurde - und sei es auch als Stilmittel gedacht. Rassistische und ableistische Begriffe finden in dieser Erzählung Platz. Ein Aspekt, bei dem wir uns (gerade in einem Buch, das sich mit Diskriminierungsebenen beschäftigt) mehr Sensibilität gewünscht hätten. Besonders auch weil sich an anderen Stellen durchaus intersektionale Aspekte widerfinden und Autorinnen wie Pınar Karabulut, Kübra Gümüşay und Olivia Wenzel gezielt die Verzahnungen von Klassismus und Rassismus bzw. die Erfahrungen von BPoC thematisieren.
Mein Fazit
Ob ich nun insgesamt eine Leseempfehlung ausspreche? Durchaus. Wie könnte ich aus meiner privilegierten Position heraus auch behaupten, dass diese Geschichten nicht gehört (bzw. in diesem Fall: gelesen) werden sollten? Ich kann aber auch hinzufügen, dass es für mich persönlich nicht der richtige Einstieg ins Thema war. Zwar sind die Erzählungen leicht verständlich, größtenteils unterhaltsam und trotz ihrer Dramatik oft auch komisch, manche davon sehr emotional und aus allen kann man etwas lernen. Ob mein Verständnis für Klassismus und vor allem mein Umgang mit dem Thema (z.B. Wie kann ich darüber sprechen ohne Klassismus zu reproduzieren? Welche Aspekte kehren in den Debatten immer wieder? Wie können wir etwas verändern?) verbessert wurden, wage ich allerdings zu bezweifeln.
Daher mein Tipp: Schaut euch gerne noch weitere Publikationen der Autor*innen an. Viele davon beschäftigen sich intensiv mit Klassismus, wodurch man den eigenen Horizont erweitern kan. Ich habe als Vertiefung bspw. Francis Seecks "Zugang verwehrt" gelesen, was ein ganz wunderbar verständliches, zusammenfassendes, erhellendes und zum Weiterlernen anregendes Einführungs-Sachbuch zu Klassismus ist.