top of page
  • AutorenbildTanja

Kirsten Boie sagt "Nein"...

Aktualisiert: 10. Jan. 2021

... zum Elbschwanenorden des Vereins deutscher Sprache (VDS).


Seit nunmehr 15 Jahren vergibt die VDS-Regionalgruppe Hamburg einen Preis an Personen oder Organisationen, die sich besonders für die Pflege der Deutschen Sprache einsetzen: den Elbschwanenorden. Klingt grundsätzlich nach einem von vielen Preisen, die im Literaturbereich vergeben werden. Doch wirft man einen genaueren Blick auf diesen Verein, so stellt man schnell fest: Hier tummelt sich allerlei Antifeministisches und rechts verankertes Gedankengut.


So stemmt man sich beispielsweise bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit gegen gendergerechte Sprache. Nicht nur, dass dieses Thema in den eigenen Publikationen immer wieder fokussiert wird, die Ablehnung geht weit darüber hinaus. Als 3sat bei der Untertitelung eines Videoausschnitts über Schönheitszwang in der Modebranche bei Instagram das gesprochene generische Maskulinum der Interview-Partnerin in eine geschlechtergerechte Form brachte (aus "Designer" wurde bspw. "Designer*innen, etc.), reicht der VDS Beschwerde beim Fernsehrat ein. Die Begründung: "Wenn Redaktionen selbständig die Aussagen ihrer Interviewpartner verfälschen, hat das nichts mehr mit objektiver Berichterstattung zu tun", so der Vorsitzende Prof. Walter Krämer. Und weiter: "Wenn Ideologie vor Wahrheit geht, ist Totalitarismus nicht mehr weit." Besonders dieses Zitat lässt aufhorchen, ist Krämer selbst doch derjenige, der mit seinen Aussagen in die rechtspopulistische Trickkiste greift.


Auf eben diese Terminologie bezieht sich auch die diesjährige Auserwählte für den Elbschwanenorden, als sie diesen entschieden ablehnt. In ihrem Antwortbrief nennt sie als Begründung Krämers Aussagen, mit denen sie alles andere als einverstanden sei: "Da ist die Rede von der 'Lügenpresse', sogar vom 'aktuellen Meinungsterror unserer weitgehend linksgestrickten Lügenpresse'; von der 'Überfremdung der deutschen Sprache', vom 'Genderwahn'". Gerade in der aktuellen Zeit, in der man einen Rechtsruck in der Gesellschaft beobachten müsse, sei eine solche Positionierung höchst bedenklich.


Wir könnten jetzt noch weitere Verfehlungen des Vereins und seines Vorsitzenden aufzählen, möchten unsere Aufmerksamkeit aber lieber der Frau der Stunde schenken, die mit gutem Beispiel vorangeht und rechtes Gedankengut - und in diesem Fall ganz explizit rechte Sprache - nicht wortlos hinnimmt.



Wer ist Kirsten Boie?


Die in Hamburg geborene Kinderbuchautorin publizierte seit ihrem ersten Werk 1985 mittlerweile rund 100 Bücher, die mit zahlreichen Preisen bedacht wurden. Darunter befinden sich der Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreises für ihr Lebenswerk (2007), das Bundesverdienstkreuz der BRD (2011), der Züricher Kinderbuchpreis (2018) sowie die Hamburger Ehrenbürgerinnenschaft (2019). Boie engagiert sich für zahlreiche Initiativen, darunter die "Schule ohne Rassismus" und das Projekt "Weichenstellungen".


Bei der Diversitätsfrage bezüglich ihrer Kinderbücher sticht vor allem die Reihe um das Detektiv-Duo "Tahbo & Emma" hervor, bei dem der Protagonist ein Schwarzer Junge ist. Seine Hautfarbe wird dabei nicht besonders thematisiert. In den Jugendbüchern "Es gibt Dinge, die kann man nicht erzählen" und "Schwarze Lügen" stehen hingegen die Erfahrungen Schwarzer Kinder im Fokus - in ersterem in einem Armutsviertel in Südafrika, in letzterem vorurteilsbelasteten Deutschland.


Leider wird gerade im zuletzt genannten Buch, das als Jugend-Krimi Diskriminierung verurteilt, Stereotype umkehrt und die Protagonist*innen als Identifikationsfiguren für Jugendliche gestaltet, rassistische Sprache reproduziert - auch wenn diese den Hauptfiguren als negative Alltagserfahrung durch ihre rassistischen Klassenkameraden begegnet. Ob man für eine solche Darstellung das N-Wort und weitere diskriminierende Begriffe tatsächlich ausschreiben muss, sollte dringlichst diskutiert werden. Wir finden: Es wäre an der Zeit für eine Neuauflage ohne rassistische Sprache.



Quellen:


Beschwerde des VDS über sat3-Beitrag als Pressemeldung: https://vds-ev.de/pressemitteilungen/beschwerde-gegen-3sat/


Zum Elbschwanenorden, eigene Beschreibung des VDS: https://vds-ev.de/service-view/elbschwanenorden/


"Warum Kirsten Boie den Elbschwanenorden nicht will" bei Deutschlandfunk Kultur am 25.11.2020: https://www.deutschlandfunkkultur.de/kritik-am-verein-deutscher-sprache-warum-kirsten-boie-den.1270.de.html?dram:article_id=488119


"Kirsten Boie lehnt Preis des Vereins Deutsche Sprache ab" in Zeit Online am 24.11.2020: https://www.zeit.de/kultur/literatur/2020-11/kirsten-boie-verein-deutsche-sprache-sprachpreis-rechtspopulistische-aeusserungen


Andreas Platthaus: "Warum Kirsten Boie den Sprachpreis ablehnt" in FAZ Online am 26.11.2020: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/kirsten-boie-lehnt-preis-des-vereins-deutsche-sprache-ab-17070557.html


Zu "Schwarze Lügen" (2014): Ursula Nowak: "Fatale Vorurteile und ein Ausnahmeschicksal" in Deutschlandfunk am 17.5.2014: https://www.deutschlandfunk.de/kirsten-boie-schwarze-luegen-fatale-vorurteile-und-ein.1202.de.html?dram:article_id=285659


187 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
bottom of page